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Zahnpflege beim Hund: mit wenig Aufwand viel erreichen

Zugegeben: Es gibt Spannenderes als Zähne putzen. Und beim Hund soll man das jetzt auch noch machen? Das habe ich früher gedacht. Bis Spencer Probleme mit Zahnstein bekam. Und immer wieder mal Mundgeruch hatte.

Als ich mich darüber informierte, wurde mir schnell klar: Mein Hund braucht dringend mehr Zahnpflege. Weil Entzündungen im Maul gefährlich sind. Sie können sogar das Herz schädigen. Und wenn ein Hund erstmal zum Zahnarzt muss, dann läuft die Behandlung meist nur unter Narkose. Das wollte ich unbedingt vermeiden.

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Foto: Maike Helbig

Also suchte ich nach Möglichkeiten, Spencers Zahnproblem in den Griff zu bekommen. Unser damaliger Tierarzt knackte härtere Beläge mit einer speziellen Zange. Oder kratzte sie mit einem Haken ab. Das klappte zwar ganz gut, war mir aber zu brachial. Vor allem wegen der Gefahr, Zahnschmelz und Zahnfleisch zu verletzen. Und man braucht schon einen sehr gelassenen Hund, damit er diese Behandlung über sich ergehen lässt.

Bleibt die Prophylaxe. Am besten täglich. Also versuchte ich diverse Kau-Snacks – spezielle Sorten zur Zahnpflege. Doch Spencer mochte sie nicht besonders. Als Futter-Schlinger hat er auch keine Lust, lange an etwas herum zu nagen, bis es endlich geschluckt werden kann.

Also Zähneputzen. Was für eine Aktion! Mit der Finger-Aufsatz-Bürste funktionierte es so mittelmäßig. Spencer wollte immer draufbeißen oder die Zahnpasta ablecken. Dann las ich von einer Zahnbürste, die man nicht im Maul bewegen muss, weil sie mit Ultraschall funktioniert. Das war Spencer anfangs auch suspekt, aber mittlerweile hat er sich daran gewöhnt.

Und ich muss sagen: Weichere Beläge kann man damit super entfernen. Auch die härteren Fälle werden mit der Zeit weicher und lassen sich dann mit leichtem Druck ganz einfach herunterkratzen. Für die tägliche Pflege habe ich außerdem antibakterielle Fingerlinge aus Fleece entdeckt. Die tägliche Zahnreinigung bei Spencer klappt damit ganz wunderbar. Nur für wirklich harten Zahnstein müsste ich jetzt noch zum Tierarzt.

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Foto: Maike Helbig

Inzwischen finde ich das Thema richtig spannend. Und habe deshalb ein Interview mit zwei Tierärztinnen geführt: Dr. Nina Eberle und Nadine Kempe vom Zentrum für Kleintiermedizin in Lehrte bei Hannover.

Warum ist Zahnpflege beim Hund wichtig?

Hunde können – wie der Mensch – Zahnerkrankungen entwickeln. Viele Zahnerkrankungen gehen mit Schmerzen einher. Dies können uns die Hunde nur indirekt mitteilen. Dass zunächst die Futteraufnahme reduziert oder eingestellt wird, ist ein großer Irrglaube. Anzeichen für eine Zahnerkrankung können u.a. ein reduzierter Spieltrieb, Reiben an der Schnauze oder schlechter Atem sein. Oft werden die Hunde erst in der Praxis vorgestellt, wenn die Futteraufnahme reduziert ist. Dann bestehen aber oftmals schon hochgradige Veränderungen in der Mundhöhle. Um Zahnerkrankungen und somit auch Schmerzen zu vermeiden und frühzeitig zu erkennen, sollte jeder Tierhalter die Zahnpflege seines Tieres ernst nehmen.

Viele Hunde haben Zahnstein. Was sind die Gründe dafür?

Zahnstein entsteht durch die Mineralisierung des weichen Zahnbelages (Plaque). Es handelt sich hierbei um einen Biofilm, der aus Speichelbestandteilen, Futterresten und Bakterien besteht und mit dem bloßen Auge nicht sichtbar ist. Zahnstein entsteht bei Hunden und Katzen schneller als beim Menschen. Dies liegt an der Beschaffenheit des Speichels, der eine Mineralisierung begünstigt.

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Foto: Maike Helbig

Welche Rolle spielt das Futter?

Das Futter ist sicherlich kein alleiniger Verursacher von Zahnstein, spielt aber im Entstehungsprozess eine Rolle. Man weiß, dass die ausschließliche Fütterung von Weichfutter die Entstehung begünstigen kann. Das Weichfutter muss weniger gekaut werden und führt zu einer vermehrten Ansammlung weicher Beläge.

Was kann man selber tun, um Zahnstein zu verhindern?

Als Tierhalter kann man helfen, die Bildung von Zahnstein zu verlangsamen. Die effektivste Methode ist das Zähneputzen. Das finden viele Besitzer amüsant, aber mit dem regelmäßigen Zähneputzen entfernt man die weichen Beläge. Dadurch wird die Mineralisierung verzögert bzw. verhindert und es entsteht weniger Zahnstein. Zusätzlich können harte Futtermittel mit bestimmten Texturen gefüttert werden, die den Abrieb verbessern und die Zahnpflege unterstützen. Diese ersetzen aber nicht das Zähneputzen.

Warum sollte Zahnstein behandelt werden?

Zahnstein begünstigt durch seine raue Oberfläche die Anheftung neuer Bakterien und dient diesen dann als Nährboden. Plaque-Bakterien sind verantwortlich für Karies und Parodontitis. Die Folgen werden meist unterschätzt. Bleiben solche Entzündungen unbehandelt, können Bakterien ins Blut gelangen und im ganzen Körper Schaden anrichten. Es kann zu Entzündungen des Herzmuskels, der Lunge, Leber oder Niere kommen.

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Foto: Maike Helbig

Wie putze ich richtig und effektiv?

Eine langsame Gewöhnung ist essentiell. Schon im Welpenalter kann das Zähneputzen geübt werden. Zunächst nur das Öffnen des Fangs, später die Manipulation in der Mundhöhle mit dem Finger. Dies sollte mit viel Lob erfolgen, damit der Hund das Zähneputzen positiv verbindet. Es sollten spezielle veterinärmedizinische Bürsten verwendet werden. Doppelkopfbürsten erreichen auch die Innenflächen der Zähne. Alternativ können Fingerzahnbürsten verwendet werden. Diese werden häufig besser vom Hund toleriert und erleichtern dadurch die Gewöhnung an das Zähneputzen. Es sollte die passende Größe ausgesucht werden. Durch Einsetzen der Finger im Lefzenwinkel erhält man einen besseren Blick auf die Zähne. Der Bürstenkopf sollte in einem Winkel von 45° zum Zahnhals angesetzt werden. Durch leichtes Rütteln am Zahnfleischrand werden die Beläge gelöst und von rot nach weiß weggewischt. Wenn Entzündungen bestehen, sollte zuvor ein Tierarzt aufgesucht werden. Dieser kann beurteilen, ob Schmerzen vorhanden sind und eine vorherige Behandlung notwendig ist.

Wie oft sollte ich putzen? Und muss ich Zahnpasta verwenden?

Ideal ist das tägliche Zähneputzen. Es gibt extra Zahnpasten für Hunde in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Der Vorteil von Zahnpasten ist, dass diese u.a. abtragende Partikel enthalten, die einen milden polierenden Effekt besitzen und so die Zahnpflege unterstützen. Das Herunterschlucken ist ungefährlich. Zahnpasta für Menschen sollte man nicht verwenden, sie ist zu scharf.

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Foto: Maike Helbig

Muss ich auch etwas für das Zahnfleisch tun?

Durch Zähneputzen und Kauartikel wird das Zahnfleisch massiert und die Durchblutung gefördert. Wie auch beim Menschen gilt, dass zu starker Druck das Zahnfleisch verletzen kann.

Was ist zu tun, wenn der Zahnstein schon sehr fest ist? 

Weiche Zahnbeläge können vom Tierbesitzer entfernt werden. Wenn Zahnstein vorhanden ist, sollte ein Tierarzt aufgesucht werden und eine professionelle Zahnreinigung erfolgen. Maßnahmen seitens des Besitzers helfen nur bei sauberen Zähnen und beugen dann Zahnstein vor.

Wie werden die Zähne in der Praxis behandelt?

Anlässlich der jährlichen Kontrolle sollte jeder Tierarzt auch die Zähne seines Patienten anschauen. Bestehen Hinweise auf eine Zahnerkrankung, sollte eine ausführliche Untersuchung der Maulhöhle vorgenommen werden. Dies ist im Wachzustand leider nur bedingt möglich. In Narkose kann die Mundhöhle eingehend untersucht werden. Bei Befunden sollten die jeweiligen Zähne geröntgt werden. Hierfür sind spezielle dentale Röntgenaufnahmen empfehlenswert. Erst durch das Röntgen kann auch die Zahnwurzel und Umgebung beurteilt werden. Zahnstein wird mithilfe eines Ultraschallgerätes entfernt. Die Arbeitsspitzen geraten in Schwingung und lösen durch Vibration den Zahnstein. Wichtig ist, dass auch die Zahnfleischtaschen gereinigt werden. Zu jeder professionellen Zahnreinigung gehört die anschließende Politur der Zähne. Durch die Politur wird die zuvor aufgeraute Zahnoberfläche geglättet und Futterreste bzw. Bakterien bleiben nicht so leicht haften.

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Spencer bei Dr. Nina Eberle & Nadine Kempe zur Zahnpflege  – Foto: Maike Helbig

Ist immer eine Narkose zur Zahnreinigung notwendig?

Eine Narkose ist zur professionellen Zahnreinigung (PZR) unerlässlich. Erst durch eine Narkose wird die Untersuchung der Maulhöhle vollständig möglich. Der Patient muss ruhig gelagert werden und während der gesamten Untersuchung muss der Fang geöffnet sein. Außerdem sollte eine Intubation erfolgen. Bei der Intubation wird ein Schlauch in die Luftröhre eingeführt. Der Tubus schließt die Atemwege ab, sodass kein Spülwasser oder Zahnsteinbrocken in die Lunge gelangen können.

Braucht der Hund danach Antibiotika?

Das hängt von den Befunden ab. Der generelle Einsatz von Antibiotika ist sowohl in der Human-, als auch in der Tiermedizin nicht sinnvoll und sollte nur nach Indikation erfolgen. Erfolgt die Professionelle Zahnreinigung im Rahmen einer Prophylaxe und sind nur geringgradige Veränderungen erkennbar, kann auf die Gabe eines Antibiotikums verzichtet werden. In anderen Fällen ist die Gabe eines Antibiotikums unerlässlich, wie beispielsweise bei aggressiven Parodontitiden. Hier sollte das Antibiotikum schon einige Tage vor der entsprechenden Behandlung angewendet werden, um die Keimflora zu reduzieren.

Was tun, wenn der Hund Mundgeruch hat? Sind dann immer Zähne oder Zahnfleisch schuld?

Mundgeruch kann ein früher Hinweis auf eine Zahnerkrankung darstellen. Es gibt aber auch andere Ursachen, die zu einem veränderten Geruch der Mundhöhle führen, beispielsweise Nierenerkrankungen oder Fremdkörper. Diese sollten bei einem Tierarzt ausgeschlossen werden.
Da viele Hunde unter Mundgeruch leiden und es ein schleichender Prozess ist, wird dieser häufig nicht als eine Erkrankung erkannt. Man muss aber sagen, dass Mundgeruch in den wenigsten Fällen „tierspezifisch“ ist.

Kann mein Hund auch Karies und Parodontose bekommen?

Karies und Parodontitis (umgangssprachlich häufig auch Parodontose genannt) sind Erkrankungen, die auch ein Hund bekommen kann. Die im Zahnbelag enthaltenen Bakterien scheiden Säuren aus, die den Zahnschmelz (äußerste Schicht des Zahnes) demineralisieren und ihn so zerstören. Dennoch kommt beim Hund Karies deutlich weniger häufig vor als beim Menschen. Der basische Speichel der Fleischfresser puffert die Säuren und schützt den Zahn vor den zerstörenden Säuren. Bester Schutz ist die Entfernung der weichen Beläge durch Zähneputzen.

Unter einer Parodontitis versteht man eine Entzündung des Zahnhalteapparates. Sie ist im Gegensatz zu einer Zahnfleischentzündung irreversibel. Durch weiche Beläge nehmen die Bakterien in der Maulhöhle zu. Diese führen zu Entzündungen. Das Zahnfleisch zieht sich zurück und bildet tiefere Taschen. In diesen können sich bestimmte Bakterien besonders gut vermehren. Der Halteapparat des Zahnes wird angegriffen und zerstört, die Zähne werden locker und fallen aus. Die hinteren Backenzähne des Oberkiefers sind besonders häufig von einer Parodontitis betroffen.

Gibt es Hunde mit einer entsprechenden Veranlagung?

Ja. Besonders kleine oder brachycephale Hunderassen (z.B. Mops, Französische Bulldogge, Boston Terrier, Boxer) neigen stärker zu Zahnproblemen. Brachycephale Rassen besitzen eine kurze Schädelform („brachis“ = kurz, „cephalus“ = Kopf). Das Gebiss ist zu klein und die Zähne haben nur wenig Platz. Folglich kommt es zu Zahnfehlstellungen, die durch Einlagerung von Schmutzpartikeln Zahnerkrankungen begünstigen.

Oder ist für Zahnprobleme beim Hund immer der Halter verantwortlich?

Der Halter kann viel dazu beitragen, dass die Zähne seines Hundes lange gesund bleiben. Durch regelmäßige Zahnpflege können Zahnerkrankungen frühzeitig entdeckt und behandelt werden.
Wird die Zahnpflege langsam antrainiert und erfolgt am besten schon im Welpenalter, lassen Hunde die Pflege entspannt über sich ergehen und Stress wird vermieden.

 

Vielen Dank an Frau Dr. Eberle und Nadine Kempa vom Zentrum für Kleintiermedizin ‚Vet Spezial‘ für das ausführliche Gespräche und die vielen Informationen!

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